Ein Einblick in mein Studienjahr in Amiens ...
Mein Name ist Caroline Havlik und ich studiere aktuell Deutsch und Geschichte auf Lehramt an der RWTH Aachen. Allerdings hatte ich bereits seit meiner Schulzeit eine große Begeiste- rung für die französische Sprache, die auch meiner Professorin in Geschichte nicht entging und so erzählte sie mir von dem Programm d’études en France. Für mich war es die Möglichkeit schon im dritten Semester ins (frankophone) Ausland gehen zu können.
Die Bewerbung lief einfacher als gedacht und so bewarb ich mir und erhielt schließlich die Zusage, dass ich an der Université de Picardie Jules Verne in Amiens angenommen wurde. Amiens ist wahrhaft eineschöne Stadt, in der ich mich schnell zuhause fühlte. Dank der besonderen Ausflüge, die Teil des PEF sind (wir fuhren zur Baie de Somme und zum Familistère de Guise), bot sich mir die Gelegenheit, die Picardie (Hauts-de-France) näher kennen zu lernen. Auch der Theaterbesuch in der regionalen Sprache, picard, ließ mich die Kultur vor Ort greifbarer erleben, als sonstmöglich gewesen wäre.
Amiens ist wahrhaft eine schöne Stadt, in der ich mich schnell zuhause fühlte.
Kurz vor Beginn meines Aufenthalts geisterten mir unglaublich viele Sorgen im Kopf herum, sowie die Angst vor dem, was mich da erwarten würde. Dabei war es sehr befreiend, dass ich mir zumindest keine Sorgen darum machen musste, dort ohne Dach über dem Kopf zu stehen, denn um eine Unterkunft im Studentenwohnheim wurde sich für mich gekümmert. An die 9m2 musste ich mich zwar etwas gewöhnen, doch wenigstens hatte jedes Zimmer ein eigenes Bad. Nach meiner Ankunft konnte ich mich voll darauf konzentrieren, mich in Amiens zu integrieren, was tatsächlich entspannter lief als gedacht, auch wenn ich am Anfang sehr nervös war.
Teil des Programms ist es, an Kursen der französischen Germanistik-Studierenden teilzuneh- men und schon alleine die gemeinsamen Berührungspunkte durch die Sprachen brachten uns einander näher. Es sind die Germanisten, mit denen ich auch nach meinem Aufenthalt dort noch Kontakt habe. Außerdem hat es mir sehr geholfen mein Französisch stark zu verbessern und mir wurde sogar ein bisschen Picard beigebracht. Letztens war ich nochmal in Frankreich, eine Freundin, die ich während meines Aufenthalts in Amiens kennengelernt habe, die dort allerdings nicht mehr studiert, besuchen. Natürlich konnte ich auch die Kurse für meine Fächer (damals noch Geschichte und Englisch) besuchen, denn mithilfe meiner Ansprechpartnerin an der Universität wurde extra mit mir zu- sammen ein Stundenplan erarbeitet, sodass ich mir meine Leistungen an meiner Heimatuniversität auch anrechnen lassen konnte.
Das Semester war bereits im Dezember zu Ende und so freute ich mich umso mehr nach den Weihnachtsferien nach Amiens zurückkehren zu können, da im Januar noch mein zweiwöchiges Praktikum anstand. Dieses verbrachte ich in einer Schule, einem Collège. Bei der Organisation des Praktikums wurde mir erneut von meiner Ansprechpartnerin geholfen, die grundsätzlich bei Fragen oder Problemen zur Verfügung stand und der das Programm auch sehr am Herzen lag. Somit fühlte ich mich in keinem Moment meines Aufenthalts dort verloren. Das Praktikum war sehr interessant, da ich als Lehramtsstudentin dadurch auch noch andere Schulsysteme als nur das deutsche erlebt habe und zudem sehen konnte, wie Deutsch als Fremdsprache unterrichtet wurde.
Besonders gefallen hat mir der Weihnachtsmarkt in Amiens, zu dem ich abends immer wieder mal mit einer Freundin gegangen bin
Besonders gefallen hat mir der Weihnachtsmarkt in Amiens, zu dem ich abends immer wieder mal mit einer Freundin gegangen bin. Man hat sehr gemerkt, wie viel Mühe dahinter gesteckt haben muss. Es gab flämische Spezialitäten oder auch welche aus Québec zu probieren und zu kaufen. Außerdem konnte man „deutschen“ Glühwein und warmen Cidre trinken. Dorthin bin ich auch mit einem Mädchen gegangen, die ich dort kennengelernt habe und mit der ich michdann auch angefreundet habe. Sie lud mich später zu sich nach Hause ein, nach Hamelet, einem Dorf in der tiefsten Picardie (la Picardie profonde).
Meine Bekanntschaft mit dem Mädchen aus der Picardie, (…) hat mein Leben sehr bereichert
Einmal kam ihr Großvater vorbei und wolltesich mit mir, der Deutschen, unterhalten. Dabei sprach er mich allerdings nicht auf Französisch, sondern auf Picard an. Ich stand da und war sehr verwirrt, da ich kein Wort von dem verstand, was er mir sagte. Dabei war ich doch schon eine Weile in Frankreich gewesen und mein Französisch war schon besser geworden. Jedoch ist Picard nicht gleich Französisch, es ist kein Dialekt, sondern eine eigenständige regionale Sprache, die sich parallel zum Französischen aus dem Lateinischen entwickelt hat. Die bekannteste regionale Sprache ist wohl Ch’ti, eng verwandt mit dem Picard.
Ich bin für meine Zeit dort unglaublich dankbar und würde es auf jeden Fall nochmal machen
Meine Bekanntschaft mit dem Mädchen aus der Picardie, die sehr stolz darauf war, aus der Picardie zu stammen, hat mein Leben sehr bereichert, weil ich mich danach mehr für die regionalen Sprachen und vor allem für Picard interessierte. Sie bieten für Frankreich eine unglaubliche Vielfalt, die zwar stark unter der französischen Revolution leiden musste, sich aber heute wieder davon zu erholen beginnt. Viele Bereiche in Frankreich kümmern sich um die Rehabilitation ihrer jeweiligen regionalen Sprache. In diese Vielfalt eintauchen zu dürfen, hat mich sehr begeistert. Ich bin für meine Zeit dort unglaublich dankbar und würde es auf jeden Fall nochmal machen. Ganz bestimmt war die Zeit dort nicht das letzte Mal, dass ich in Amiens war.